Bundestagswahl 2002
Aug 282002
 

Wen wählen? Wen nicht wählen? Nicht wählen?

Ein mehr oder weniger kluger Mensch hat einmal gesagt: Würden Wahlen etwas verändern, wären sie verboten! Im großen gesellschaftlichen Blick hatte dieser Mensch sicherlich recht – doch mit Blick aufs Detail ist diese Aussage völlig daneben. Immerhin beendete das Wahlvolk 1998 die Ära Kohl, die die ganze Republik in einen geistig/moralischen Sumpf gezogen hatte und die politische Unglaubwürdigkeit zum Programm machte.

Rot/Grün hieß dann die Zauberformel – und selbst viele gestandene Alt-Linke und Ökos konnten sich dem Charme der Regierungserklärungen nicht ganz entziehen. Abschaltung der Atomkraftwerke, Förderung erneuerbarer Energien, Abbau der Arbeitslosigkeit, mehr Steuergerechtigkeit, mehr Bürgerrechte…
Doch schon früh zeigte sich, dass da nicht die „Turnschuh-Generation“ in die Ministerien einziehen wird: Norweger-Pullover und Latzhose wurden gegen BOSS- und ARMANI-Klamotten eingetauscht. Und dieser Tausch blieb, besonders bei den Grünen, nicht aufs Äußere beschränkt – viele Grundsätze wurden beim Tausch der Kleider gleich mit an den Haken gehängt.
Und dann gab es Krieg! Dass Sozialdemokraten damit ganz locker umgehen können, ist eine Wahrheit, die so alt ist wie die Sozialdemokratische Partei Deutschlands – doch dass sich ein grüner Außenminister zum Kriegstreiber entwickeln könnte – wer hätte das 1998 gedacht? Wer hätte 1998 geglaubt, dass ein von den Grünen zur SPD konvertierter Minister Gesetze erlässt, über die der CDU-Ex-Innenminister Kanther nicht einmal laut nachzudenken wagte?
Nicht verschweigen wollen wir, dass es viele Pluspunkte der rot/grünen Koalition gegenüber ihrer Vorgängerin gibt. Doch wie lange wird es dauern, bis auch Renate Künast resignierend erkennen muss, dass ihre Pläne mit der Realität des „immer mehr, immer dicker, immer billiger“ nicht in Einklang zu bringen sind? Wie lange wird es dauern, bis Umweltminister Trittin, der ja beim Atomausstieg schon seine Wendebereitschaft unter Beweis stellte, seinen Armani-Anzug wieder gegen verwaschene Jeans tauscht?
Auf den Punkt gebracht: Eine Stoiber/Westerwelle-Regierung haben wir nicht verdient – aber haben wir denn weitere vier Jahre Schröder/Fischer verdient? Ist es möglicherweise egal, wer da das Zepter in der Hand hält?

Protestwahl

Schill-Partei (Partei rechtsstaatlicher Offensive): Die Partei des „Richter Gnadenlos“ ist unwählbar – da hat sich ein tumber Haufen frustrierter BürgerInnen zusammengefunden – in den amerikanischen Südstaaten würde dieser Verein mit den drei Buchstaben KKK abgekürzt.
PDS: Mit der Wahl der PDS könnte man viele Leute ärgern, ohne Schaden anzurichten, und hätte gleichzeitig auch die Möglichkeit, dass diese Querschießer und –denker ein bisschen Niveau in den Bundestag bringen, ganz abgesehen davon, dass es durchaus auch gute Gründe gibt, die PDS aus Überzeugung zu wählen.
Und die FDP? Eigentlich ist sie ja die klassische Partei der Protestwähler. Doch wer will sich dafür noch ins Zeug legen. Westerwelle fährt mit seinem Spaß-Mobil durch die Lande, Möllemann schwebt, wenn er nicht gerade um die Wählerschichten am äußersten rechten Rand buhlt, mit dem Fallschirm ein – Politik als Showbusiness?

Unsere Empfehlung

Wenn Sie wählen wollen, dann gehen Sie wählen; wählen Sie was sie wollen – nur machen Sie Ihr Kreuz nicht gerade bei Schill, NPD und Co.
Wenn Sie nicht wählen wollen, dann gehen Sie nicht wählen und Sie können am Wahlabend sehen, dass Sie nicht alleine sind.


Wie war das bei der letzten Bundestagswahl?

Unumstrittene Siegerin im Wahlkreis Wilhelmshaven/Friesland war bei der letzten Bundestagswahl 1998 Gabriele Iwersen von der SPD. Sie toppte ihre 47,79 % Erststimmen von 1994 mit 53,3 % und behielt damit ihr Direktmandat. Zugewinne zwischen 8,6 und 9,5 Prozentpunkten konnte sie in Jever, Friedeburg und auf den Inseln verbuchen, in ihrer Heimatstadt Wilhelmshaven dagegen nur ein Plus von 4 Prozentpunkten. Ihr bestes Ergebnis erreichte sie in Holtriem mit 59,6 %, ihr schlechtestes auf Spiekeroog mit 39,5 %.
Eindeutiger Verlierer von 1998 war in unserem Wahlkreis Erich Maaß (CDU), der gegenüber 1994 von 41,6 auf 35,27 % der Erststimmen absackte. Federn lassen musste er vor allem in den Gemeinden Friedeburg (-8,8 %) und Schortens (-6,3 %). Die geringsten Verluste hatte er im Wangerland (-5,7 %) und in Wilhelmshaven (-5,6 %). Sein bestes Ergebnis erreichte er mit 42 % auf Langeoog, sein schlechtestes in mit 29,2 % in Sande.


Der graue Wolf und die Neue

Von den im Bundestag vertretenen Parteien tritt nur der Bundestagsabgeordnete Erich Maaß (CDU) im neu zugeschnittenen Wahlkreis Wilhelmshaven/Friesland nochmals an. Seit 1980 immer über die Landesliste in den Bundestag eingezogen, will er nach eigenem Bekunden diesmal den neu konstruierten Wahlkreis 27 direkt erobern. Doch zwischen Wunsch und Realität liegt oft eine große Spanne…
Für die SPD tritt als Nachfolgerin von Gabriele Iwersen die Landrätin Karin Evers-Meyer aus Friesland an. Ob sie an Iwersens Ergebnisse wird anknüpfen können, ist anzuzweifeln. Ob es für das Direktmandat reicht, wird u.a. von den Wilhelmshavener WählerInnen abhängen. Durch die Änderung der Wahlkreise und damit der Zahl der Wahlberechtigten (von 155.000 auf 190.000) müsste die SPD hier besonders eifrig um Stimmen werben. Doch bislang hat sich wenig in der Jadestadt getan. Evers-Meyer selbst hat bei ihren Auftritten in den eigenen Reihen kaum Punkte gemacht. Und auch die Obergenossen im Unterbezirk lassen nicht erkennen, ob sie wissen, dass diese Wahl wohl die wichtigste der letzten (oder der nächsten?) Zeit ist. Ob diese Parteifreunde erholt durch Ferien und Urlaub nun energisch für die Fortsetzung der Koalitionsregierung kämpfen werden, ist nach der zögerlichen Unterstützung Iwersens zu bezweifeln.


Lasst Blumen sprechen

Die Kampa 02, das Wahlkampfschlachtschiff der SPD, hat die Genossen zu vermehrten Aktionen vor der Wahl aufgerufen. Empfohlen werden Polit-Cafeterias, Ballonwettbewerbe und Sommerfeste. Daneben gibt es den Vorschlag „Lass Blumen sprechen“: Wie wäre es – so fragen die Wahlkampfstrategen – mit Vergissmeinnicht und dem Anhänger „Nicht vergessen: Am 22.09.02 wählen gehen!“
Nun weiß jeder Kleingärtner und Blumenfreund, dass die Vergissmeinnicht bereits im Juli/August verblüht sind. Nur eine Art von Vergissmeinnicht könnte da noch für die SPD-Werbung eingesetzt werden, die Myosotis scorpiodis, die bis September blüht. Doch das ist eine Staude, die nur im Sumpf wächst.


Was hat es mit Erst- und Zweitstimme auf sich?

Mit der Erststimme wählt man einen Kandidaten bzw. eine Kandidatin direkt. Wer im Wahlkreis die meisten Erststimmen auf sich vereinigen kann, erhält ein Direktmandat.
Die Zweitstimme ist entscheidend für das Kräfteverhältnis im Bundestag. Man gibt sie der Landesliste einer Partei. Nach dem Anteil der Parteien an den Zweitstimmen richtet sich die Verteilung der Sitze. Wenn bundesweit alle Zweitstimmen zusammengezählt sind, wird festgestellt, wie viele Abgeordnete über die Landeslisten der Parteien in den Bundestag einziehen.
Damit haben die Überhangmandate zu tun: Sind mehr Kandidaten einer Partei in einem Bundesland direkt (per Erststimme) gewählt worden, als der Partei eigentlich nach ihrem Anteil an den Zweitstimmen in diesem Bundesland zustehen, erhält sie Überhangmandate.
Die Landeslisten werden von den Parteien im Vorfeld der Wahl aufgestellt. Zuoberst auf einer Landesliste stehen darauf die PolitikerInnen, die die Partei am liebsten im Bundestag haben will.

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