Banter Markt
Jun 092004
 

Beirat verarscht?

Lebhaft ging es zu beim Stadtteilbeirat Westliche Südstadt

(noa) Nun ist die Pflasterung des Banter Marktplatzes fertig, am 24. April wurde gefeiert und Bier getrunken, vom 20. bis 23. Mai gab es dort einen Jahrmarkt – und nun liegt er da, frisch und (noch) sauber, aber kahl, wird inzwischen wieder zögerlich als Parkplatz genutzt, aber sonst tut sich nichts.

Eigentlich hatten die Mitglieder des Stadtteilbeirates Westliche Südstadt gedacht, dass die Gestaltung des Platzes gleichzeitig mit (oder doch wenigstens bald nach) der Pflasterung erfolgen sollte. Das soll, so Quartiersmanager Thorsten Stahlhut auf der Beiratssitzung am 2. Juni, noch in diesem Sommer passieren, doch die Auswahl der Möblierung ist noch nicht abgeschlossen. Da haben sich Schwierigkeiten ergeben, die sich, bezogen auf mehrere Punkte, durch die ganze Sitzung ziehen sollten: Folgekosten sollen keine entstehen.
Holz- oder Metallbänke müssen gepflegt werden, damit sie nicht binnen weniger Jahre verrotten, und wer soll das machen? Ursula Aljets schlug vor, die Wilhelmshaven-Bank von Beka e,V. ins Auge zu fassen, da das Geld dann in Wilhelmshaven bliebe. Da man niemandem weh tun will, brachte schnell jemand auch die GPS-Bank ins Spiel, und mit Blick auf die anwesenden Kirchenvertreter wurde gefragt, ob auch die Diakonie irgendwelche Bänke im Angebot habe – alle diese Lösungen wären aber keine richtigen, weil nicht wartungsfrei. (Gibt es außer Waschbetonklötzen überhaupt irgendwelche Draußen-Sitzgelegenheiten, die man einfach aufstellen und dann vergessen kann?)
Die ganzen Ideen zur Nutzung des Platzes – Straßenfeste, Jahr- und Flohmärkte – seien hinfällig, so Helmut Möhle, da die Voraussetzungen zur Nutzung des Platzes einfach nicht gegeben seien, und sarkastisch meinte er, es sei ja nach einem halben Jahr Bauzeit eine riesige Überraschung gewesen, dass der Platz fertig sei, da habe man an Strom und Toiletten nicht rechtzeitig denken können.
Thorsten Stahlhut hatte einleitend eine Reihe von Ideen zur Nutzung des Platzes vorgetragen: Gelegentlich mal wieder ein Rummel, sogar ein kleiner Zirkus könnte eingeladen werden. Im Rahmen der multikulturellen Woche sei eine Aktivität am 25. September oder am 2. Oktober geplant. Vielleicht könnte man auch einen Advents- oder Weihnachtsmarkt veranstalten. Auf jeden Fall könne man eine Fahrradaktion für Vor- und Grundschulkinder stattfinden lassen. Auch ein Wochenmarkt und der monatliche Flohmarkt des Bürgervereins Bant könnten den schönen neuen Platz beleben. Die Tanzgruppe des türkischen Vereins habe zugesagt, eine öffentliche Probe durchzuführen, und – Stahlhuts Lieblingskind – man könne doch mal ein Beachvolleyball-Tournier machen.
Ja, diese ganzen Ideen erfordern tatsächlich Strom und Toiletten. Schausteller und Sportler müssen mal pinkeln, kleine Kinder auch. Eine Tanzprobe mit Musik aus dem Ghettoblaster ist nicht denkbar. Der winzige Wochenmarkt, den es früher mal auf dem Banter Marktplatz gab, musste sich auf ein Angebot beschränken, das keinen Stromanschluss benötigte; ein Käse- oder Fischstand ohne Kühlung geht nicht.
Nun sind die Stromverteilerkästen, die mit der Neugestaltung des Platzes installiert wurden, für eine „kleine“ Veranstaltung ausreichend, bei einer größeren Sache jedoch müssen zusätzliche Kapazitäten her. Möhle begnügte sich bei der Information über diese Fehlplanung nicht mehr mit Sarkasmus. Er wurde böse: „Das kann ich keinem Bürger erzählen!“, und: „Ich fühle mich veralbert.“
Schwieriger noch ist das Toilettenproblem: Der Kiosk-Umbau, für die meisten Beiratsmitglieder untrennbar mit der Pflasterung des Platzes verbunden, ist laut Auskunft von Frau Wohler, Mitarbeiterin des Planungsamtes des Stadt, eine davon getrennte Maßnahme. Sollte noch Geld vorhanden sein, könne mit der Baumaßnahme bald begonnen werden. Müsse man aber zusätzliches Geld dafür haben, dann sei erst mal Abwarten angesagt. Erst müsse der Bewilligungsbescheid der Bezirksregierung kommen. Mit etwas Pech wird der Kiosk also erst im nächsten Jahr umgebaut, und so lange gibt es auch keine Toiletten.
Und überhaupt die Toiletten: Die müssen ja auch sauber gehalten werden. Wer soll das machen? Schon wieder die Folgekosten!
Der Kiosk-Pächter ist bereit, sich um die Klos zu kümmern. Das wusste Ilka Nordbrock, die mit der Umbauplanung betraute Architektin, zu berichten. Voraussetzung allerdings für diese Bereitschaft sei, dass er eine gewisse Kontrolle über die Nutzung des Klos behalte. Wer pinkeln will, muss an ihm vorbei.
Frau Nordbrock warf den Umbauplan mittels Overhead-Projektor an die Wand. Ein richtig schmuckes Häuschen ist da geplant, etwas höher als das bisherige Gebäude, das Dach so weit geneigt, dass Ziegel draufkönnen und man auf die hässliche Pappe verzichten kann, nach zwei Richtungen beträchtlich erweitert um einen verglasten Bereich, in dem auch Bier und Currywurst serviert werden können, und einen gänzlich neuen Klotrakt. Die Grundfläche, die der Kiosk nach seinem Umbau in Anspruch nehmen wird, ist etwa dreimal so groß wie bisher – aber ein Behindertenklo soll trotzdem nicht eingebaut werden!
Das Behindertenklo war in Nordbrocks Plänen ursprünglich vorgesehen gewesen, war aber in langen Sitzungen mit dem Pächter und dem Planungsamt auf der Strecke geblieben. Empörung bei Beiratsmitglied Leffers: Wozu muss der Kioskbetreiber einen getrennten Aufenthaltsraum haben?!? (Muss er wegen irgendeiner Vorschrift.) Frau Aljets zitierte Gesetze und Verordnungen: Ein Behindertenklo ist zwingend erforderlich! Die Architektin wusste es besser: Ist es nicht! – gemäß Bauordnung. Frau Aljets wusste es noch besser: Ist es doch! – gemäß Gleichstellungsgesetz. Obwohl die Versammlung nicht beschlussfähig war, wie Vorsitzender Rainer Ewald eingangs durch gewissenhafte Zählung ermittelt hatte, stellte Frau Aljets einen Beschlussantrag: Keine Zustimmung zu gar nichts ohne Behindertenklo! Im allgemeinen Tumult, den das Thema auslöste, fügte sie noch zynisch hinzu, sie sei ja froh und dankbar, dass wenigstens Frauenklos vorgesehen seien.
Der Höhepunkt der Sitzung fand nicht am Ende, sondern irgendwann mittendrin statt. Es ist nämlich noch gar nicht klar, ob überhaupt etwas weitergeht am Banter Markt. Das Geld, das für die Pflasterung ausgegeben wurde (zu viel nach Ursula Aljets Meinung), war größtenteils Geld der Europäischen Union. Zu allen Sanierungsvorhaben im Rahmen des Projekts „Soziale Stadt“ zahlt die Kommune nur ein Sechstel dazu. Doch wenn sie diese geringe Summe nicht hat, entfallen auch die fünf Sechstel aus Europa. Und dass die Stadt vielleicht ihren kleinen Anteil für weitere Sanierungsmaßnahmen nicht rausrücken wollen könnte (Haushaltssperre!), deutete Beiratsmitglied von Teichman, der sich ansonsten vornehm zurückhielt, ganz vorsichtig an. Herr Leffers zitierte eine Ausgabe der „Welt“ aus dem Jahr 2002: „Die Staaten rufen die EU-Milliarden nur schleppend ab.“ Das ist eben so, wenn in einer Kommune das Geld zur Ergänzung fehlt. Und außerdem: Die EU-Mittel können nur beantragt werden, wenn eine Kommune erklärt, die ganze Maßnahme notfalls allein finanzieren zu wollen. Das ist zwar nur eine Formalität, aber natürlich wird eine Stadt wie Wilhelmshaven den Teufel tun, so eine Versicherung abzugeben. Zu den bürokratischen Fallen, die die Arbeit des Beirates immer wieder behindern und ad absurdum führen, konnte Herr Leffers nur noch sagen: „Man kann kein Verständnis dafür haben, wie das läuft. Ich kriege das nicht auf die Reihe!“ Und so sagte denn Frau Aljets: „Der Beirat wird ver…“ – Nein, sie sprach das Wort nicht aus, sie sagte: „Da gibt es so ein Wort.“
Am 15. September wird der Beirat sich wieder treffen und dann vielleicht mehr wissen, z. B. darüber, was aus dem städtischen Prüfauftrag geworden ist, mit dem festgestellt werden soll, ob der Platz in private Hände geht.

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