Aus der Schule geplaudert
Mrz 052008
 

Aus der Schule

 

Puhhhhh!

Dieser Kelch ist noch einmal an uns vorbeigegangen! Wäre die Landtagswahl anders ausgegangen, dann hätten wir jetzt Schulkampf. Den hatte der Philologenverband, in dem überwiegend Gymnasiallehrer organisiert sind, für den Fall eines Wahlsieges von Rot/Grün angedroht.

So stand es am 30. November auf der Niedersachsenseite der WZ. Damals war Wahlkampf, und da die Philologen „vor allem schwächere Schüler in einer Einheitsschule benachteiligt“ sahen, wollten sie „landesweit die Elternschaft mobilisieren“.
Mehr als 6.500 Mitglieder hat der Philologenverband in Niedersachsen. Wenn die alle Wahlkampf für die CDU gemacht haben…! Andererseits hat der Landesverband Niedersachsen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft 28.500 Mitglieder, die schätzungsweise eher dem Modell Gesamtschule zugeneigt sind.
Aber, liebe Kollegen von den Gymnasien: So schlimm wäre es ja gar nicht gekommen. Zwar hat die SPD Wahlkampf mit dem Thema „Gemeinsame Schule“ gemacht – gleichzeitig hat sie jedoch den Fortbestand der Gymnasien versprochen.
Egal, es ist ja nichts passiert. Das Schulwesen ist nach wie vor gegliedert; die Selektion funktioniert perfekt. Nur die SchülerInnen funktionieren nicht so richtig:
Die Nordwestzeitung hatte am 31. Januar kritisch über das „Turbo-Abi“ berichtet und veröffentlichte einige Leserbriefe dazu am 9. Februar. Da hofft ein Cloppenburger Vater von drei Kindern in den Klassen 6, 7 und 9, dass der Herr Minister Busemann endlich den Schuss hört; ein Schüler aus Edewecht klagt über die Arbeitsbelastung durch Unterricht, Hausaufgaben, Referate und Klausurvorbereitung, die ihm keine Zeit für Sport und Erholung lässt, ein Vater aus Jaderberg berichtet von seinem Sohn, der oft „völlig fertig und verzweifelt aus der Schule kommt“ und öfter krank ist als früher. Und einige Vereine in Wilhelmshaven konstatieren das Fernbleiben von Schülern und Schülerinnen.
Ob Busemann „den Schuss gehört“ hat, wissen wir nicht. Christian Wulff hat ihn gehört und Busemann für die neue Legislaturperiode als Kultusminister abgelöst. „Elisabeth Heister-Neumann und Bernd Busemann tauschen die Ämter“, berichtet die WZ am 15. Februar und schreibt: „In der Fraktion waren häufig Busemanns ‚Alleingänge’ kritisiert worden. Mit seinem Reformeifer hatte er zudem Lehrer- und Elternverbände verärgert.“
Auch den Stadtelternrat Wilhelmshaven. Dessen Vorsitzender Bernd Rahlf gab sich im WZ-Interview am 25. Januar recht moderat („Weniger wäre manchmal mehr gewesen“), legte den Finger aber entschieden auf einige wunde Punkte. „Es hat in den vergangenen fünf Jahren der CDU-FDP-Koalition in Niedersachsen eine derartige Unmenge an Reformen im Bildungswesen gegeben, dass nicht nur an den Schulen, sondern selbst in den Ministerien und Landesbehörden Land unter war.“ (Rahlf)
Nun macht Bernd Busemann (Jurist) also in der neuen Legislaturperiode die Justiz, und die ehemalige Justizministerin Heister-Neumann wechselt ins Kultusministerium. Hatte Wulff damals mit Busemanns Ernennung zum Kultusminister den Bock zum Gärtner gemacht? Busemann ist Jurist. Aber die Neue ist ebenfalls Juristin. Was für ein Bock ist eigentlich in der Redewendung gemeint? Ein Ziegenbock? Wird jetzt die Ziege zur Gärtnerin?
Hat sich mit dem schwarzgelben Wahlsieg die Forderung nach den für alle gleichen Bildungschancen erledigt? Nun, schon während der vergangenen Legislaturperiode haben CDU/FDP oft genug ihren Wahlsieg 2003 als „Beweis“ dafür bezeichnet, dass die Eltern mehrheitlich mit Selektionsschule usw. einverstanden seien, und das werden sie in den kommenden fünf Jahren weiterhin tun. Andererseits gibt es im Landtag eine große Opposition mit anderen schulpolitischen Vorstellungen, die hoffentlich das Thema nicht ruhen lassen wird.
Und sie hat Argumente. Das neueste ist die Tatsache, dass am 10. Dezember eine Integrierte Gesamtschule, nämlich die Robert-Bosch-Gesamtschule in Hildesheim, zur „besten Schule Deutschlands“ gekürt wurde. Und jede Menge alte Argumente wie z.B. das PISA-Abschneiden Finnlands. Da hatte Busemann gegen Ende seiner Amtszeit (als er noch nicht wusste, dass sie sich dem Ende zuneigte) vorgebaut: „Kultusminister Bernd Busemann will den deutschen Pisa-Ausstieg“, hieß es am 01. Dezember in der WZ, und in dieser Meldung wurde Busemann mit den Worten zitiert: „Vor lauter Statistiken kommen wir gar nicht mehr zum Arbeiten.“ Ja, Bernd, und vor lauter Vergleichsarbeiten, Selektieren, Schulinspektion, Turbo-Abi usw. erst recht nicht!
Richtig, zurück zum Turbo-Abi: Die Überbelastung der GymnasiastInnen hat u.a. Christian Wulff zu der Forderung nach einer Entrümpelung der Lehrpläne und einer Reduzierung der Wochenstundenzahl an Gymnasien veranlasst. Da hat Busemann, der nun schon wusste, dass er nicht mehr lange Kultusminister ist, aber aufgeschrien: „Minister um Abi-Niveau besorgt“, hieß es am 18. Februar in der WZ, und dass Busemann gegen eine rigorose Ausdünnung des Lehrplans ist.
Übrigens scheint es so, als erweise sich das Turbo-Abi als eine wirksame Werbemaßnahme für die IGS. Bernd Rahlf hat es in dem o.g. Interview angedeutet: „Ich glaube, dass … im Sommer die Zahl der Wechsler auf die IGS … deutlich steigen wird.“ Dort gibt es nämlich das Abitur nach Klasse 12 nicht, und es ist abzusehen, dass außer vielen Neuntklässlern, die besonders hart dran sind, weil sie die 5. Klasse noch auf einer Orientierungsstufe absolviert haben und gleichzeitig den ersten Jahrgang bilden, der schon in Klasse 12 Abitur machen soll, auch zahlreiche Kinder, die momentan die 4. Klasse besuchen, mit ihrer Gymnasialempfehlung zur IGS drängen werden. Da die IGS Wilhelmshaven aber jedes Jahr viele BewerberInnen abweisen muss, ist es umso nötiger, dass Friesland eine IGS bekommt. Oder zwei – bei der Demonstration des Aktionsbündnisses am 13. Februar in Schortens gab es nicht nur „Gesamtschulplätzchen“ und die Aussicht, dass das Neugründungsverbot im April aufgehoben wird, sondern von Olaf Lies auch die Feststellung, dass eine IGS in Friesland nicht ausreichen wird. Der dringende Wunsch der Eltern von Hunderten friesischer Viertklässler, es möge doch zum Schuljahr 2008/2009 schon losgehen, wird jedenfalls kaum mehr erfüllbar sein: Der Kreis beginnt mit den Vorbereitungen erst nach der Gesetzesänderung.

Anette Nowak

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