Asylbewerber
Mrz 111991
 

Verbannung

Asylbewerber: Opfer der Wahlkampftaktik?

(noa) Vom Obergeschoß aus hat man freien Blick zum Himmel, Treppengeländer fehlen, das Haus ist total heruntergekommen – so beschreiben Mitglieder des Sozialausschusses das Gebäude in Coldehörn, das nach dem Willen der Stadtverwaltung als Sammelunterkunft für Asylbewerber hergerichtet werden soll.

Der Eigentümer wird ein gutes Geschäft damit machen. Dem Vernehmen nach hat er es bei einer Zwangsversteigerung „für’n Appel und’n Ei“ erworben. Von den 675.000 DM, die es kosten wird, das Haus bewohnbar zu machen, wird das Land Niedersachsen 300.000 DM zahlen. Von dem Betrag, den er selber beitragen muß, wird er einen guten Teil in Form von Miete einnehmen. Auf drei Jahre sind ihm diese Einnahmen sicher – und bei Vermietung für Asylbewerber lassen sich höhere Mieten erzielen als auf dem Wohnungsmarkt.

Bild: Erwin Fiege

Bild: Erwin Fiege

Eine Ghettobildung befürchten die Nachbarn, Landwirte in Fedderwarden und Umgebung, die begonnen haben, Unterschriften gegen das Projekt zu sammeln. Sie haben dabei aber mehr „die Sicherheit ihrer Familien“ (WZ vom 12. März) im Blick als die Situation der Familien, die dort untergebracht werden sollen: Arbeitsverbot für die Erwachsenen, keine Zuschüsse für Kindergartenplätze, miserable Verkehrsverbindung zur Stadt – die Menschen werden dort fast eingesperrt sein.
Die Einschätzung der Landwirte, hinter dem Beschluß, Asylbewerber so weit außerhalb unterzubringen, stehe die Angst um Wählerstimmen, wird von Monika Schwarz, Ratsfrau der Frauenliste, wie auch von der Fraktion der GRÜNEN geteilt.
Das andere für diesen Zweck vorgesehene Gebäude, Geschäftsräume der Firma C.O. Mangels in der Bunsenstraße, das sich im Eigentum der Bundesvermögensstelle befindet, ist ebenso abgelegen. Dabei wäre es wirklich nicht notwendig, die Asylsuchenden so weit außerhalb unterzubringen
Die Anmietung eines Blocks in der Kniprodestraße war von allen zuständigen Stellen genehmigt, der Mietvertrag war unterschriftsreif. Aber der Verwaltungsausschuß lehnte diese Lösung ab. Auch, daß das Seemannsheim zur zeitweiligen Unterbringung von Asylbewerbern und Aussiedlern nicht mehr zur Verfügung steht, ist der Verwaltung anzulasten: Sie lehnte es ab, der Diakonie, der das Gebäude in der Marienstraße gehört, ein anderes Haus anzubieten.
Coldehörn wie auch die Bunsenstraße werden frühestens im Spätsommer zur Verfügung stehen. Bis dann werden der Stadt Wilhelmshaven durch das Land noch zahlreiche weitere Asylsuchende zugewiesen werden. Das klammheimlich eingerichtete Übergangswohnheim am Banter Deich sollte eigentlich zum 31. März aufgelöst werden, doch der Verwaltungsausschuß hat beschlossen, es beizubehalten, bis andere Unterkünfte zur Verfügung stehen.
„Die Weserstraße 47 ist das einzige Gebäude, das wir mit Asylanten belegen können“, sagte jüngst Sozialdezernent Milger, und mangels anderer Möglichkeiten stimmen auch die Befürworter einer dezentralen Unterbringung dieser Überlegung zähneknirschend zu. „Das kann jedoch nur eine ganz kurzfristige Übergangslösung sein. Wir schlagen stattdessen vor, es zu machen wie die Stadt Emden. Dort werden an verschiedenen Plätzen Mobilhomes aufgestellt, die später, wenn sie einmal nicht mehr für Asylbewerber und Aussiedler benötigt werden, jungen Wohnungssuchenden zur Verfügung gestellt werden sollen“, so Monika Schwarz.
Die engagierte Ratsfrau klagt allerdings wie andere- Mitglieder des Sozialausschusses darüber, daß man in diesen Fragen „gegen eine Gummiwand läuft“. Offenbar hat der Verwaltungsausschuß die ganze Macht in  Wilhelmshaven. Wie mit den anderen Gremien umgegangen wird, zeigt das Beispiel Coldehörn: Der Sozialausschuß besichtigte das Gebäude, diskutierte anschließend etwa anderthalb Stunden lang das Für und Wider, lehnte den Vorschlag, es zum Wohnheim auszubauen, ab – dabei hatte die Verwaltung schon zwei Wochen vorher alles beschlossen!

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